Abstract
Die Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts war die Hochzeit der Kulturphilosophie. Ihre zentrale Forderung nach einer Trennung der Realwissenschaften in Naturund „Kulturwissenschaften“1 stand der Unternehmung zu einer Einheitswissenschaft des Wiener Kreises diametral entgegen. Auch Moritz Schlick sprach sich Zeit seines Lebens entschieden gegen die „mächtig emporgeblüht[e]“ Mode der „Kulturwissenschaften oder Geisteswissenschaften“ (Schlick, MSGA I/6, 535) aus. Dies geht beispielhaft aus seinem Vortrag über das Verhältnis von „Philosophie und Naturwissenschaft“ (Schlick, MSGA I/6, 521–545) hervor, in dem er ausführt, dass jene „Wissenschaften vom Menschlichen“ schlechthin nicht über eigene Grundbegriffe verfügten und deswegen stets auf die „ausgezeichnete Stellung des naturwissenschaftlichen Denkens“ angewiesen (Schlick, MSGA I/6, 536–538) blieben, namentlich auf die Psychologie als die „Brücke zur Geschichte und zu den Geisteswissenschaften überhaupt“ (Schlick, MSGA I/6, 525f.). Insofern könnten sie für sich nicht den Anspruch erheben, eine vom naturwissenschaftlichen „Weltbild“ verschiedene „Weltanschauung“ spekulativ zu entwerfen (Schlick, MSGA I/6, 541f.). Die Gegenstände der Kulturwissenschaften, so zeigt sich Schlick auch später noch überzeugt, seien letztlich psychologisch zu ergründende Handlungen von Menschen und stünden daher „nicht im absolutem Gegensatze […] zu den Gegenständen der Naturwissenschaften“