Abstract
Johann Gottlieb Fichte, der wohl abstrakteste Vertreter des deutschen Idealismus, war, trotz seiner poetischen Versuche und seiner Beziehungen zu den Frühromantikern, kein Dichter. Doch vertrat er eine Art des Philosophierens, die, weit entfernt von jeder gelehrten Vielwisserei, zur philosophischen Kunst tendiert. Fichte berührte in seiner Wissenschaftslehre genannten Philosophie eine Qualität des Denkens, die zwar den vielfältigsten Mißverständnissen und Verkennungen verfallen mußte, die ihn aber durch den ihr eigenen schöpferischen Zug in die Nähe Goethes rückte. Er selber sah in Goethe zum einen die »edelste Blüte der Humanität, welche die Natur nur einmal unter dem griechischen Himmel hervorgetrieben hatte, durch ein Wunder im Norden wiederholt«, zum anderen aber auch jemanden, dem sich durch die Kunst der Sinn für eine tiefere, sonst nur der philosophischen Reflexion zugängliche Form des Denkens erschlossen hatte.