Abstract
Die Ikonen der Ostkirche werden theologisch als „Sinnbilder im realistischen Sinne des Wortes“ gedeutet. Damit verbunden ist ein sog. sakramentaler Realismus, demgemäß das Urbild im materiellen Bild real präsent und wirksam ist. Vor der Erfindung der Fotografie spielte die mimetische Wirklichkeitsnähe bei der Heiligendarstellung kaum eine Rolle; von den ‚jüngsten‘ Heiligen gibt es aber sowohl Fotografien als auch traditionell gemalte Bilder. Der Status dieser Fotos und ihr Einfluss auf die Ikonen wurde bisher weder in der Bildwissenschaft noch in der Theologie hinterfragt. Die Relevanz solcher Fotos für den Glauben wird zu einer virulenten Frage in der Ostkirche, wo das Gebot der Bilderverehrung gilt und bereits ‚Fotoikonen‘ von Heiligen kommerzialisiert werden. Als Grundlage für den Vergleich zwischen Fotos und Ikonen dient Roland Barthes’ realistische Auffassung der Fotografie in seinem Essay Die helle Kammer, der explizite Analogien zwischen Fotos und byzantinischen Ikonen enthält. „Wohl könnte ich ein Bild, ein Gemälde, eine Statue verehren, doch auch ein Photo?“, fragt Barthes dort. Im Weiteren wird versucht, diese Frage durch eine Gegenüberstellung von Fotografien und Ikonen in Bezug auf ihre Referentialität, Narrativität, Lichtsymbolik bzw. „Emanation des Referenten“, Autopoiesis, Reproduktion und Spektralität zu beantworten.