Abstract
Die über das Verstandesdenken hinausgehende Sicht auf den Zusammenfall der vielen endlichen Seienden in der unendlichen Einheit des Seins, d. h. des nichtseienden absoluten Ursprungs, der nur dann nicht als ein Seiendes unter anderen Seienden gedacht wird, wenn man ihn. nicht mehr in einem Vergleichszusammenhang mit den Seienden sieht (z. B. „quo maius cogitari nequit”), nicht mehr als einen Komparativ, sondern als den Superlativ schlechthin, als das „maximum simpliciter et absolute cum quo minimum coincidit”, in dessen überbegrifflicher Einheit die Andersheit und Vielheit der endlichen Seienden in absolut einfacher Weise zusammengefaltet ist -, diese Sicht ist Ausgangspunkt und Zentrum, „fait primitif” und „point de repère central” der cusanischen Philosophie. Gerade an den Stellen die von eminenter Bedeutung sind innerhalb des Ganzen dieser Philosophie (wie -gnosiologisch -die Möglichkeiten und Grenzen der menschlichen Erkenntnis, und -theoomtologisch -das Gottes-, Welt-und Menschenbild) lässt sich diese im wissenden Nichtwissen geschauten coincidentia oppositorum aufweisen. In seiner Gnosiologie zeigt Cusanus, wie jede Erkenntnisstufe bedingt ist durch die nächst höhere Stufe als ihre „praesuppositio” oder „causa altior” '. Die Wahrnehmung der vielen, verschiedenen und entgegengesetzten sinnlich wahrnehmbaren Dinge ist bedingt durch die Einheit der sensus und setzt diese voraus. Die Sinne aber wären micht im stände die Vielfalt der sensibilia wahrzunehmen, wenn es nicht die höhere Einheit der ratio gäbe, des Verstandesdenken, dessen Tätigkeit in dem sinnlichen Wahrnehmen die sensus fähig macht, die phantasmata zu unterscheiden, als diese und jene festzustellen und so erst zu einer echten Wahrnehmung, d. h. zum sinnlichen Bewusstsein