Abstract
In der überarbeiteten Fassung seiner Wiener Dissertation von 1999 legt Rhoby (= R.) zunächst in einer sehr knappen Einleitung (19–23) eine Arbeitsdefinition des zentralen Begriffes einer geographischen ‚Reminiszenz‘ vor. Er gewinnt seine Definition primär aus dem ausgewerteten Material selbst. Bei Reminiszenzen handele es sich um „eine Erwähnung eines antiken Ortes, die innerhalb eines byzantinischen Textes nebenbei geschieht bzw. in einen längeren Handlungsablauf ergänzend eingearbeitet ist“ (19). Als bewußt hervorgeholte Erinnerung aus dem traditionellen literarischen Bildungsgut eines Autors hebt sich die Reminiszenz von der Mimesis und dem Plagiat ab. Der Begriff bleibt jedoch bei R. etwas unbestimmt. Reminiszenz habe „eigentlich in jedem der folgenden Kapitel eine jeweils etwas andere Bedeutung“ (22). Auf die aktuelle Diskussion über Zitate, Anspielungen, Reminiszenzen und verwandte rhetorisch-stilistische Termini und Techniken in der Philologie, Literatur- und Kulturwissenschaft geht R. weder in seiner Einleitung (siehe 20 und Anm. 6) noch in der abschließenden Analyse (237–257) ausführlich ein. Für R.s Untersuchung bietet sich eine Vielzahl von Gattungen der mittel- und spätbyzantinischen Literatur als Textgrundlage an. Zu Recht schließt er Textsorten aus, in denen die Antike oder antike Themen ganz offen im Mittelpunkt stehen, z.B. Kommentare, Paraphrasen zu antiken Autoren, Progymnasmata und Übungsreden über antike Themen, auch den in der Antike spielenden byzantinischen Liebesroman. Denn in solchen Texten kann man offenkundig nicht von Reminiszenzen in R.s Verständnis sprechen. Es verbleiben aber weiterhin zahlreiche Werke aus verschiedenen Gattungen und von unterschiedlichen Autoren. Dies erschwert methodisch R.s Untersuchung.