Von der Liebeskunst zur Lebenskunst: Zu den emotionalen Grundlagen der menschlichen Existenz
Abstract
Die neuzeitliche Ethik hat den teleologischen Naturbegriff der Antike durch den Begriff der
praktischen Vernunft ersetzt, deren Normen alle Menschen unterworfen sind. Dieses von Immanuel
Kant entwickelte Modell hat den Vorteil, Ethik als deduktive Disziplin zu behandeln, es hat aber den
Nachteil, dass der Ausgangspunkt eine abstrakte Konstruktion ist. Konstruiert wird als Kern des
Menschen eine rein logische Instanz, die sich selbst nach dem Prinzip des Widerspruchs Gesetze
des Handelns gibt. Davon getrennt bleibt die empirische Wirklichkeit, in der die Menschen nach
dem Prinzip der Selbsterhaltung agieren. Damit hat Kant die antike Tugendethik, die zugleich als
Lebenskunst auftrat, gespalten in Moralphilosophie und Anthropologie.