Abstract
Zwischen Medizinethik und Behindertenbewegung besteht Uneinigkeit darüber, ob von einer Diskriminierung von behinderten Menschen durch biomedizinische Verfahren, wie der Pränatal- und der Präimplantationsdiagnostik, gesprochen werden kann. Dieser Konflikt beruht u. a. darauf, dass sich gesellschaftspolitische und ethische Argumente oft auf unterschiedlichen Ebenen bewegen. Während in der Ethik danach gefragt wird, ob durch die genannten Verfahren unmittelbar individuelle Rechte von Menschen mit Behinderungen verletzt werden, scheint es der Behindertenbewegung um die Verletzung des kollektiven Anspruches auf kulturelle Anerkennung zu gehen. Mit der Unterscheidung verschiedener Anerkennungsverhältnisse in zwischenmenschlichen Beziehungen beabsichtigt der Beitrag, einen Rahmen für das Verständnis der Anliegen der Behindertenbewegung bereitzustellen. Daran anschließend wird eine Ethikkonzeption skizziert, die geeignet ist, die Argumente der Behindertenbewegung für eine konstruktive ethische Diskussion fruchtbar zu machen.