Abstract
ZusammenfassungIn diesem Beitrag konzentriere ich mich auf Bayers Interpretation von Luthers Rechtfertigungsverständnis als promissio. In Teil I skizziere ich Bayers zentralen Gedanken, dass dieser Begriff als performativer Sprechakt in Austins Sinne verstanden werden muss, d.h. als ein Akt, der durch seinen Vollzug neue 〉Tatsachen〈 konstituiert und nicht nur schon existierende Tatsachen registriert. Die Worte der Absolution registrieren nicht, dass der Sünder gerechtfertigt ist, sondern vollziehen die Rechtfertigung, wenn sie im richtigen Kontext gesprochen werden.In Teil II beurteile ich die Konsequenzen dieser Interpretation der Rechtfertigung. Einerseits schlage ich vor, dass Bayers Interpretation die Aspekte des Rechtfertigungsverständnisses zum Ausdruck bringt, die für das Luthertum charakteristisch sind und verteidigt werden sollten. Andererseits jedoch kritisiere ich Bayers Behauptung, dass dieses Verständnis der Rechtfertigung als promissio alle Versuche unterminiert, theologische Aussagen zu verifizieren. Ich fasse diese Spannung zwischen der religiösen, pro-lutherischen Perspektive und der philosophischen, Luther-kritischen Perspektive in einem Dialog zwischen dem lutherischen Herzen und dem philosophischen Verstand zusammen.In Teil III stelle ich dar, dass diese Spannung zwischen dem lutherischen Herzen und dem philosophischen Verstand nicht leicht aufzulösen ist, da beide auf ihre Weise wertvoll sind. Trotzdem mache ich in der Konklusion zwei vorsichtige Vorschläge: Der erste besteht darin, dass der Gedanke der 〉Verifikation〈 in einer im weitesten Sinne pragmatischen Form rekonstruiert werden sollte, um aus lutherischer Perspektive akzeptabel zu sein. Der zweite Vorschlag besteht darin, den nicht-relationalen Hintergrund, der vorausgesetzt ist, wenn Rechtfertigung relational interpretiert wird , als ein 〉Vorurteil〈 im Sinne Gadamers zu verstehen, d.h. als in jedem Akt des Verstehens vorausgesetzt und doch jederzeit revidierbar.SummaryIn this contribution, I focus on Bayer's interpretation of Luther's concept of justification as promissio. In part I, I sketch Bayer's central idea that this concept is to be understood as a performative speech-act in Austin's sense, i. e. as an act constituting novel ‘facts’ while being performed rather than registering already existing ones. The words of the absolution do not only register that the sinner is justified but, when being spoken in the proper circumstances, actually do justify him.In part II, I evaluate the consequences of this interpretation of justification. On the one hand, I suggest that Bayer's interpretation captures the aspects of the concept of justification which are characteristic of Lutheranism and should be defended. On the other hand, however, I criticize Bayer's contention that his concept of justification as promissio undermines all attempts to verify theological claims. I summarize the tension between the religious, pro-Lutheran perspective and the philosophical, Luther-critical perspective in a dialogue between Lutheran heart and philosophical mind.In part three, I suggest that there is no easy way out of the tension between Lutheran heart and philosophical mind since both are valuable in their own way. Nevertheless, I offer two cautious suggestions by way of conclusion: The first is that the idea of ‘verification’ should be reconstructed in a pragmatic spirit in order to be acceptable from a Lutheran perspective. The second is that the non-relational background which is presupposed by construing justification in a relational fashion should be construed as a Gadamerian ‘prejudice’, i. e. as being presupposed in every act of understanding, yet, as always being open to revision