Institutionelle Designfehler im Kontext des Gesundheitswesens: Zur epistemischen Handlungsfähigkeit von Personen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung
Abstract
Ausgehend von standpunkttheoretischen Überlegungen soll gezeigt werden, dass behinderte und chronisch kranke Personen notwendige Erkenntnisse über Gestaltungsfehler von Institutionen des Gesundheitswesen haben können; einerseits, indem sie aufgrund ihrer Abhängigkeit von diesen Institutionen Probleme wahrnehmen, die von anderen übersehen werden und, andererseits, weil sie bereits Handlungsstrategien der Navigation dieser Institutionen entwickelt haben, die zur Fehlerbehebung herangezogen werden können. Dabei liegt ein Fokus auf sogenannten dominanten Intelligibilitätsrahmen, die dazu führen, dass Institutionen des Gesundheitssystems schon in ihrer Gestaltung problematische Züge annehmen können. Wohingegen sich die bisherige Forschung auf sogenannte interpersonale Probleme innerhalb von Institutionen (zum Beispiel aufgrund von problematischen Vorurteilen oder Unwissen von Akteuer*innen innerhalb der Institutionen) fokussiert, soll hier das folgende Problem beleuchtet werden: Trotz der Tatsache, dass die in Gesundheitsinstitutionen beschäftigten Akteur*innen einen moralischen An- spruch an ihr Handeln anlegen (diese berufsethischen Wertevorstellungen spiegeln sich zumindest teilweise in den Berufsordnungen der jeweiligen Landesärztekammern oder Gelöbnissen wie der Genfer Deklaration des Weltärztebundes und werden populärwissenschaftlich durch Hippokratischen Eid beschrieben), lassen sich gerade auch im Gesundheitswesen problematische epistemische Praktiken auffinden, die – so die These des Artikels – bereits im Design der jeweiligen Institution angelegt sind und nicht in den spezifischen Handlungen der dort Beschäftigten.