Abstract
Die Bestimmung des byzantinischen Gottesdenkens als «System» ist immer ein scandalum gewesen. Es wird als solches eher von seinen Kritikern begriffen, während seine Fürsprecher diese Bezeichnung überwiegend ablehnen. Wenn die byzantinischen Autoren in das Zentrum der Gotteserkenntnis eine Erfahrung oder eine Praxis stellen, die als Quelle der Theologie und als «wahre Philosophie» betrachtet werden, so ist zu erwarten, daß sie, Erfahrung oder Praxis, in systematischen Schriften selten und unwillig besprochen werden. Vielmehr begründen die meisten Autoren das Erscheinen ihrer Texte mit dem Widerstand gegen gewisse Irrlehren. Diese Motivation bestimmt den hauptsächlich polemischen Charakter der Schriften und erklärt auch den Mangel eines explizierten philosophischen oder theologischen Systems im scholastischen Sinn. Das besagt aber nicht, daß die byzantinische Denkweise kein immanentes System und keine eigene Strukturen besitzt. Die Grundelemente dieser Systematik sind der Gegenstand der vorliegenden Überlegung