Abstract
"Nach Auschwitz" erklärte Theodor W. Adorno heitere Literatur für unmöglich. Gefordert wurden Betroffenheit und Trauerarbeit. Bis heute prägen diese philosophisch-ästhetischen Postulate die deutschsprachige Literatur - Heiterkeit und Humor sind immer noch umstrittene Tabuzonen. Die Studie konfrontiert Adornos Urteil mit der deutschsprachigen Literatur von 1945 bis zur Gegenwart. Anhand einer breiten Auswahl von Autoren, Texten und Kritikern werden Heiterkeitsbegriffe und -debatten sowie verschiedene Möglichkeiten literarisch heiterer Gestaltung vorgestellt. Um den Heiterkeitskonzeptionen der Autoren und Kritiker dabei nicht vorzugreifen, hält die Studie methodisch fest am Konzept einer produktions- und textästhetischen Betrachtung. Das Ergebnis ist eine vielfältige Phänomenologie und Geschichte der Heiterkeit nach 1945, beginnend bei der älteren Generation (Thomas Mann, Ernst Jünger, Bertolt Brecht) über die Nachkriegsgeneration (Günter Grass, Hans Magnus Enzensberger, Peter Rühmkorf, Konkrete Poesie) bis hin zur 'Neuen Frankfurter Schule' (Robert Gernhardt) und zur Postmoderne (Christoph Ransmayer). Dadurch kann die (in der Forschung) häufig gehörte These vom Heiterkeitsverlust nach 1945 und nach dem Verdikt Adornos widerlegt werden. Die Studie ist ein Plädoyer dafür, mit dem Begriff Heiterkeit in Zukunft wesentlich genauer umzugehen statt im Sinne eines moralischen Werturteils.