Abstract
Es ist bekannt, daß Husserl Fichtes theoretischer Philosophie keine gute Seite abgewinnen konnte. In den 1917 vor Kriegsheimkehrern gehaltenen und 1918 wiederholten Vorträgen über Fichte spricht Husserl von »abstrusen Konstruktionen«, die in der Wissenschaftslehre Fichtes zu finden seien. Nichtsdestotrotz kann man sehen, daß beide Ansätze mehr als bloße Strukturanalogien aufweisen. Es wurde - wenn auch nicht häufig - darauf hingewiesen, daß sachliche Verweise beider Ansätze aufeinander möglich sind. Die Berührungspunkte in der praktischen Philosophie dagegen fallen eher ins Auge. In seinen Vorträgen orientiert sich Husserl insbesondere an Fichtes populären und religionsphilosophischen Schriften und es ist inzwischen bekannt, daß sich Husserl in den 20er Jahren vermehrt der praktischen Philosophie im Sinne Fichtes zuwendet, über deren Verhältnis zu der seinen er in einem Brief an Adolf Grimme meint, »daß die religions-philosophischen Perspektiven, die mir die Phänomenologie eröffnete, überraschend nahe Beziehung zu Fichtes späterer Gotteslehre zeigen«. Ich möchte mich an dieser Stelle auf den theoretischen Zugang konzentrieren und dabei speziell den Begriff der Affektion bei Fichte und Husserl näher untersuchen.