Abstract
Trotz aller Rationalisierungsbemühungen werden sich Leistungseinschränkungen im deutschen Gesundheitswesen nicht vermeiden lassen. Zwar sollten diese so weit möglich oberhalb der individuellen Arzt-Patient-Beziehung erfolgen, aus pragmatischen Gründen wird es sich aber nicht vermeiden lassen, dass Ärzte auch im Einzelfall Verantwortung für die Kosten ihrer Entscheidungen übernehmen, wie es bereits heute häufig der Fall ist. Der vorliegende Beitrag widmet sich deshalb der Frage, wie Ärzte in einer medizinisch rationalen und ethisch vertretbaren Art und Weise Kostenerwägungen in ihren Entscheidungen berücksichtigen können. Vorgeschlagen wird ein vierstufiges Modell eines „ethischen Kostenbewusstseins“: 1) Unterlassung ineffektiver Maßnahmen im Sinne einer evidenzbasierten Medizin; 2) konsequente Berücksichtigung individueller Patientenpräferenzen; 3) Minimierung des diagnostischen und therapeutischen Aufwands für die Erreichung eines bestimmten Therapieziels; und 4) Verzicht auf teure Maßnahmen mit einem geringen/fraglichen Nutzengewinn für den Patienten. Stufen (1–3) sind durch die Prinzipien Wohltun, Nichtschaden und Respekt der Autonomie ethisch begründet, Stufe (4) durch das Prinzip der Gerechtigkeit. Für Entscheidungen auf der vierten Stufe sollten nach Möglichkeit lokale explizite Vorgaben wie z. B. kostensensible Leitlinien erarbeitet werden. Prozedurale Mindeststandards sind zu berücksichtigen, regelmäßige Kosten-Fallbesprechungen oder klinische Ethikberatung sollten zur Entscheidungsunterstützung verfügbar sein. Abschließend wird ein ethischer Algorithmus zur Abklärung des Einsatzes einer kostspieligen medizinischen Maßnahme vorgestellt