Abstract
Hermann Cohen hat mit seiner wissenschaftslogischen Kantinterpretation und programmatischen Orientierung der Erkenntnislehre am ‚Faktum der Wissenschaft‘ das Verständnis von transzendentaler Logik bis in die Gegenwart maßgeblich mitgeprägt. Der zentrale Punkt seiner Kantinterpretation ist die Identifikation der „transzendentalen Methode“ mit der „regressiven Lehrart“ der Prolegomena und damit die Ersetzung der metaphysischen Deduktion der Kategorien durch eine wissenschaftstheoretische Rekonstruktion der synthetischen Grundsätze der mathematischen Naturwissenschaft. Im vorliegenden Aufsatz wird versucht im Anschluss an grundlegende Arbeiten von Kurt Walter Zeidler, die von Cohen in Kants Theorie der Erfahrung (1871, 2. Aufl. 1885) entwickelten Argumente für diese Interpretation und die ihr zugrundeliegenden Motive darzulegen und sowohl mit Blick auf Kants eigene methodologische Ausführungen in den Prolegomena und der Kritik der reinen Vernunft als auch mit Blick auf das von Cohen in der Logik der reinen Erkenntnis (21914) als „härtestes Problem der Logik“ bezeichnete Problem der Vermittlung von Einzelnem und Allgemeinem kritisch zu hinterfragen.