Abstract
Die Zeitgeschichte der Prävention hat Konjunktur. An ihr lässt sich nämlich exemplarisch der Wandel von Konzepten, Organisation und Praxis des biopolitischen Regierens von Bevölkerung anhand des vorbeugenden gesellschaftlichen Umgangs mit Gesundheit und Krankheit beleuchten. Eine entscheidende Technologie ist hierbei die Gesundheitsaufklärung. Diese ist jedoch nach wie vor gerade im Hinblick auf ihre methodologischen Wandlungsprozesse sowie auf die Relationen zwischen internationalen Entwicklungen und nationalen Implementationen wenig erforscht. Auf Grundlage einer quantitativen sowie qualitativen Analyse dreier englischsprachiger Zeitschriften wird diese Lücke im Folgenden ein Stück weit geschlossen. Es wird gezeigt, wie sich in den 1950er Jahren ein internationaler Fachdiskurs der Gesundheitserziehung etablierte und in diesem sich ein verwissenschaftlichendes Berufsfeld konstituierte. Darin wurde die Forderung deutlich, vom deutschen Modell einer anschaulichen Vermittlung medizinischen Wissens vor allem durch Ausstellungen abzukommen und sich auf die Integration sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden zu fokussieren. Aus der Perspektive der behavioural sciences wurden das Handeln und die Möglichkeit seiner Beeinflussung in Netze wechselseitiger Einflussfaktoren eingefügt: Nur Umfrageforschung zu Gesundheitseinstellungen und -motivationen sowie zur Wirkung der eigenen Aktivitäten schien es zu ermöglichen, den in der Gesundheitserziehung priorisierten Zweck zu erfüllen, Verhalten zu ändern. Über solch eine Zweck‑, Mittel- und Wissensbestimmung, die – gleichwohl unterschiedlich – sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR rezipiert und institutionalisiert wurde, vergewisserten sich die Akteure im Diskurs, einer internationalen Profession der healtheducators anzugehören. Doch die Hoffnungen, „Rezepte für die Lenkung der Menschen“ zu finden, erfüllten sich auch mit mehr Forschung und der Implementation ihrer Ergebnisse nicht.