Frankenstein und die literarische figur Des verrückten wissenschaftlers

In B. van Schlun & M. Neumann (eds.), Mythen Europas: Schlüsselfiguren der Imagination, Bd. 6. Pustet (2008)
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Abstract

Die literarische Figur des verrückten Wissenschaftlers ist heute vor allem über Filme bekannt. Tatsächlich hat Hollywood diese Figur, die auf Englisch mad scientist genannt wird, seit seinen Gründungstagen mit zahlreichen Filmen zu einem eigenen Genre entwickelt: Ein älterer Mann mit zerzaustem Haar, Laborkittel und Brille arbeitet besessen und einsam in seinem Labor an einer großen Erfindung, mit der er die ganze Welt verändern will. Typischerweise ist dieser Wissenschaftler entweder gutwillig und naiv, nur naiv oder skrupellos. Ist er gutwillig und naiv, dann will er die Welt retten oder zum Besseren wenden; doch in seiner Besessenheit und Engstirnigkeit verkennt er die Welt und die große Erfindung entgleist ihm und wird zu einer Bedrohung der Welt, bis am Ende ein guter Held die Gefahr bannt und die Welt rettet. Falls er nur naiv ist, dann entreißt ein Böser ihm die Erfindung im entscheidenen Moment, um die Welt zu bedrohen, bis am Ende der Gute die Sache wieder ins Reine bringt. Ist er hingegen skrupelos, dann treibt ihn seine Besessenheit dazu, immer größere Opfer für sein Werk zu erbringen, nicht nur, indem er sich selber gesundheitlich und finanziell aufreibt, sondern auch, indem er die Gesundheit und das Leben von Unbeteiligten aufs Spiel setzt. Treibt er dies zu weit, ohne rechtzeitig Reue zu zeigen, dann muss er am Ende um der Gerechtigkeit willen sterben, in der Regel als Opfer seiner eigenen besessenen Forschertaten. Die Figur des verrückten Wissenschaftlers ist heute so einschlägig, dass sie das öffentliche Bild der Wissenschaft in der westlichen Welt entscheidend mitgeprägt hat. Das ärgert natürlich die Wissenschaftler, die darum heftigst auf Hollywood schimpfen. Doch Hollywood hat nur aufgegriffen, stereotypisch vereinfacht und bilderreich ausgemalt, was Schriftsteller des 19. Jahrhunderts in fast allen westlichen Ländern in Form von Romanen, Theaterstücken, Kurzgeschichten und Gedichten vorgebildet haben. Denn der verrückte Wissenschaftler ist tatsächlich eine literarische Erfindung des 19..

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