Abstract
In Rhetorik, Poetik und Grammatik geht es Gottsched um die Frage, inwiefern die Sprache dem Menschen zur Welterschließung dient bzw. unter welchen Optimierungen ihres Leistungsprofils sie ihm dazu dienen kann. Dass diese Dienstleistung unhintergehbar ist, dass also ‚Sprache‘ durch nichts anderes ersetzt werden kann – vor allem nicht durch einen reinen, d. h. logischen Zugang zur Welt – ist der gemeinsame Nenner der Gottsched’schen Sprachtheorie in ihrer arbeitsteiligen Ausprägung. Ihren Nukleus bilden die material-medialen Readymades der Wörter in der „Ausführliche Redekunst, nach Anleitung der alten Griechen und Römer“. Diese lässt sich als doppelte Rhetorik verstehen: Während im ersten allgemeinen Teil die epistemologische Grundlage der Welterschließung im Spannungsfeld von Logik und Ästhetik verhandelt wird, führt der zweite besondere Teil zu den rhetorischen Vorübungen sowie zu den Redegattungen. Gottscheds eigene Reden wiederum stellen – in mehreren Sammlungen eigener und fremder Reden – der Epistemologie der Wörter eine Praxeologie der Rede an die Seite, die sowohl politisch als auch anthropologisch verankert ist.