Sechs Philosophen über philosophische Esoterik

Zeitschrift für Philosophische Forschung 57 (1):74 - 93 (2003)
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Abstract

Ausgehend von Wittgensteins Vorwort zu seinen "Philosophischen Bemerkungen", wo er klarstellt, daß er "nur für wenige" schreibe und von Menschen, die dem Geist, in dem er schreibt, feindlich oder fremd gegenüberstehen, gar nicht verstanden werden wolle, wird der Frage nachgegangen, ob philosophische Werke generell vom Willen getragen sein müssen, alle Menschen zu erreichen, und ob sie, falls das nicht der Fall sein sollte, über Mittel verfügen, unerwünschte Leser auszuschließen. Wittgenstein glaubte an die Möglichkeit, nur für "Freunde" seiner Geisteshaltung zu schreiben und andere, notwendig verständnislose Rezipienten "automatisch" durch ein in den Text selbst unsichtbar eingebautes "Schloß" von seinem Denken ausschließen zu können. Kant erkannte klar die eindeutig esoterische Haltung des Platonischen Siebten Briefes - und verurteilte sie, freilich ohne Exegese des Textes und ohne den Versuch, das Verhältnis des Briefes zu vergleichbaren Stellen der Dialoge zu klären. Schleiermacher bemühte sich zu zeigen, daß Platon ungeachtet seiner Kritik der Schrift als Werkzeug der Erkenntnisvermittlung im Phaidros bestrebt war, den schriftlichen Dialog dem mündlichem dialektischen Gespräch nach Möglichkeit anzugleichen, ja gleichzustellen. Nietzsche sah als erster, daß Schleiermachers Deutung die klar ausgesprochene Intention Platons in ihr Gegenteil verkehrt. Seiner klarsichtigen Kritik blieb die Breitenwirkung versagt: vorgetragen 1871-76 vor wenigen Basler Philologiestudenten, blieb sie bis 1913 ungedruckt. Inzwischen war Schleiermachers Sichtweise längst zur communis opinio geworden, zumal sie früh engagierte Unterstützung bekommen hatte durch Hegels Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Es läßt sich freilich zeigen, daß Hegels Kritik der esoterischen Auslegung von Tennemann weder der Komplexität des Problems noch dem platonischen Text gerecht wird Platon selbst wollte, wie Wittgenstein, nur die "Freunde" seiner Geisteshaltung ansprechen, glaubte aber, anders als Wittgenstein und die Moderne seit Schleiermacher, nicht an das Vermögen der Schrift, "automatisch die Scheidung" der Leser zu "bewirken" . Die Konsequenzen, die er als philosophischer Schriftsteller daraus zog, teilte er im Phaidros und im Siebten Brief mit

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