In Catrin Heite, Veronika Magyar-Haas & Clarissa Schär (eds.),
Responsibilisierung. Springer Fachmedien Wiesbaden. pp. 123-138 (
2024)
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Abstract
Grundlage des Beitrags bildet eine Studie über die Beziehungen zwischen Ehrenamtlichen und Geflüchteten, die ich im Rahmen einer Langzeitethnographie seit 2016 in rheinhessischen Dörfern beforsche. Ich argumentiere, dass im Engagement von Ehrenamtlichen für Geflüchtete eine doppelte Responsibilisierung stattfindet: Den Ehrenamtlichen wurde von politischer Seite die Verantwortung für die Integration der Ankommenden in den deutschen Arbeitsmarkt übertragen. Gleichzeitig übertrugen auch die Ehrenamtlichen den Geflüchteten Verantwortung dafür, in Lohnarbeitsverhältnisse zu kommen. Sie taten dies in Beziehungen, die durch stetig wachsende geteilte Erfahrungen zu Vertrauensbeziehungen wurden und in vielen Fällen auch nach manifesten Konflikten fortbestanden. Gestärkt wurden diese Beziehungen zusätzlich durch externe Konflikte mit unkooperativen Behörden. Ehrenamtliche wurden dabei zu Verteidiger:innen der Rechte der Geflüchteten. Im Fall dieses Engagements zeigt sich eine typisch ambivalente Struktur des Helfens: Die ehrenamtliche Hilfe macht die Geflüchteten zu Gabenempfänger:innen, obwohl sie Inhaber:innen von Rechten sind. Gleichzeitig verhilft diese freiwillig erbrachte Hilfe den Geflüchteten gerade zur Inanspruchnahme ihrer Rechte.