Abstract
ZusammenfassungDer Beitrag fragt nach dem Stellenwert des Normalitätsbegriffs im Diskurs der Behinderung. Ausgangspunkt ist die These, dass Normalität und Normativität analytisch voneinander getrennt werden müssen. In der heutigen Normalisierungsgesellschaft existieren sowohl wertbezogene, präskriptive ("normative") als auch statistisch fundierte, deskriptive ("normalistische") Normen. Außerdem lassen sich zwei Normalisierungsstrategien kennzeichnen: ein starr ausgrenzender, normierender Ansatz ("Protonormalismus") und eine flexible, normalisierende Strategie ("flexibler Normalismus"). Auf dieser theoretischen Folie wird diskutiert, ob sich im behindertenpolitischen Diskurs und in sozialpolitischen Konzepten Tendenzen der flexiblen Normalisierung auffinden lassen. Der Schwerpunkt des Beitrags liegt auf einer normalitätstheoretischen Analyse der beiden Klassifikationsmodelle der Weltgesundheitsorganisation. Die "International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps" (ICIDH 1980) blieb noch der wertbezogenen Normativität verhaftet. Dagegen stellt die "International Classification of Functioning, Disability and Health" (ICF 2001) die normalistische (Vergleichs-)Norm ins Zentrum und formuliert das Gebot der Selbstnormalisierung.