Abstract
Die heutige Bedeutung von „Ästhetik“ als Theorie der Künste ist philosophiegeschichtlich recht jungen Datums und ergibt sich erst mit einem Begriffswandel innerhalb des 18. Jahrhunderts. Beredtes Zeugnis hierfür sind die Kritik der reinen Vernunft und die Kritik der Urteilskraft Immanuel Kants: Während Kant in der ersten Kritik die Belegung kunsttheoretischer Reflexionen mit dem Terminus „Ästhetik“ ablehnt und innerhalb seiner transzendentalen Ästhetik diese − etymologisch näher liegend − als „Wissenschaft von allen Prinzipien der Sinnlichkeit a priori“ definiert, trägt er dann in seiner dritten Kritik der neuen ästhetischen Disziplin Rechnung und lässt neben die teleologische die ästhetische Urteilskraft treten als „Vermögen, die formale Zweckmäßigkeit durch das Gefühl der Lust und Unlust […] zu beurteilen“. Hier spiegelt sich ein fundamentaler Umbau in der philosophischen Theoriearchitektur wider: Die rationalistische Aufklärungsphilosophie beruht noch auf der Lehre von den zwei menschlichen Vermögen und den beiden Grundkräften der Seele: der vis repraesentativa, die den theoretischen Teil der Philosophie ausmacht, sowie der vis appetitiva, die als Begehrungsvermögen die praktische Philosophie bestimmt.