Die Diagnosestellung als Situation. Eine existenzphilosophische Betrachtung ärztlicher Kommunikationsaufgaben

Zeitschrift für Praktische Philosophie 7 (2):35-66 (2020)
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Abstract

Im Medizin- und Care-Diskurs zielt die Frage, wie mit Patientinnen zu kommunizieren sei, oft auf eine normativ-ethische Ebene. Dementgegen soll hier eine eher auf die epistemologische Ebene gerichtete Untersuchung der Gesprächssituation in der Diagnosestellung geleistet werden. Die Erörterung verläuft entlang der existenziellen Philosophien von Gabriel Marcel und Martin Buber. Dabei zeigt sich, dass es drei Ebenen gibt, die das Arztgespräch bestimmen. Auf der ersten Ebene befindet sich die meist asymmetrische sachliche Kommunikationssituation über medizinische und biochemische Zusammenhänge. Hier tritt die Ärztin als Expertin auf. Als zweite Ebene kann man die existenziell-dialogische Situation der Begegnung zweier Menschen ausmachen. Hier besteht eine völlige Symmetrie, da die Begegnung bei Buber und Marcel nicht an besondere Einrichtungen, wie zum Beispiel Fürsorge, gebunden ist. Die dritte Ebene kehrt das ‚Machtverhältnis‘ – so man diesen Begriff nutzen will – um: Die Patientin hat, indem sie sich in einer Grenzsituation befindet, einen Wissens- und Handlungsraum, der dem der Ärztin überlegen ist. Als Betroffene kann sie beispielsweise eine mögliche Therapie ablehnen, während die Ärztin eine indizierte Therapie nicht verweigern darf. Die genaueren Lektüren Marcels und Bubers lassen weiterhin deutlich werden, wie tiefgreifend die Vorbehalte der Dialogphilosophie gegenüber Institutionen und deren Normen sind. Die Idee des informierten Einverständnisses, welche die medizinethische Debatte dominiert, erweist sich aus Bubers Perspektive als brüchig, wo affektive Innerlichkeit lediglich ein Spiegel der äußerlichen Einrichtungen ist. Der Begriff der Hoffnung wird schließlich herangezogen, um den besonderen Handlungsraum der Ärztin aus der Perspektive der Dialogphilosophie zu konkretisieren.

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