Abstract
Im Discours sur l’inégalité führt Rousseau den Schlüsselbegriff der Selbstliebe (amour de soi-même) ein. Diese erläutert er als einen ursprünglichen Trieb des Menschen, einen, der noch vor der Entwicklung der Vernunft da ist. Rousseau versteht sie als den Selbsterhaltungstrieb, wie ihn jedes Tier von Natur aus besitzen soll. Indem sich jedoch die menschliche Vernunft entwickelt, wird das Selbst der nunmehr möglichen Selbstliebe ein anderes. Rousseau stellt zunächst nur die negative Erscheinungsform des vernünftigen Selbst dar, welche durch Eigenliebe (amour-propre) charakterisiert ist. Erst der Contrat social, obwohl er weder von Selbstliebe noch von Eigenliebe spricht, reicht die positive Erscheinungsform nach. Ich werde darlegen, dass vernünftige Selbstliebe, wie man mit dem zeitgleich erschienen Émile sagen kann, die moralische Gesinnung des Bürgers ist.