Abstract
Mit diesem Aufsatz soll ein Beitrag zur Klärung von Nietzsches Humanitätsverständnis in binnenrelationaler Perspektive geleistet werden. Dabei wird in drei Schritten vorgegangen: Der erste Schritt setzt an den kritischen Vorzeichen von Nietzsches Humanitätsverständnis an. Hierbei geht es um die Skizzierung der kritischen Verfahren der genealogischen Kritik und des Perspektivismus. In einem zweiten Schritt soll sodann aufgezeigt werden, worin bei Nietzsche die genealogische Kritik ihren Halt findet, damit nicht jeglicher Wert destruiert wird. Dabei soll die binnenrelationale Perspektive des Individuums in der Dimension der existentiellen Selbstanerkennung freigelegt werden. Trotz aller Emphase des Individuums bei Nietzsche geht es ihm stets um die Verbindung von Partikularem und Allgemeinem im Lebenszusammenhang. Diese Dimensionen kann der Mensch in seiner Binnenrelationalität selbst abwiegen. Nietzsches Verständnis des Selbst kann für ihn vor dem Hintergrund seines Anerkennungsverständnisses keinen essentialistischen Wesenskern beinhalten; das Selbst entwickelt sich für Nietzsche ursprünglich durch die sozialen Bezüge im Lebensvollzug: Es geht somit um die praktische Dimension, die immer schon relational verschränkt ist. In einem dritten Schritt soll Nietzsches Humanitätsverständnis als existentielle Selbstbeschreibung des Menschen herausgearbeitet werden. Indem Nietzsches kritische Vorzeichen berücksichtigt werden, zeigt sich, dass sich seine Kritik zentral auf ein bloß tradiertes Humanitätsverständnis richtet. Worauf es ihm dagegen ankommt, ist sein Verständnis des Individuums als „freier Geist“, der von sich aus in der Lage ist, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen.