Abstract
Ein Kontaktabbruch stellt für Eltern und Kinder einen besonders drastischen Schritt dar. Ihre Beziehungen sind darauf angelegt, eng und dauerhaft zu sein, und die Beteiligten ihr ganzes Leben lang zu tragen. Darauf bezieht sich ihre Charakterisierung als „unkündbar“. Zu ihrer großen Wertschätzung gehört jedoch im Umkehrschluss die Verletzlichkeit der Beteiligten und die Schwere ihres Scheiterns, oft begleitet von moralischen Vorwürfen. Die Realität von Kontaktabbrüchen wirft dabei zwei Fragen auf, die Gegenstand dieses Beitrags sind. Zunächst stellt sich die Frage nach ihren typischen Erscheinungsformen, ihrer ethischen Struktur und Bewertung. Diese Frage vertiefe ich insbesondere mit Blick darauf, ob ihnen Pflichten im Wege stehen können, die erwachsene Kinder ihren Eltern gegenüber haben. Im Mittelpunkt steht dabei eine kritische Erörterung von Axel Honneths Überlegungen zu Rollenpflichten und einem „Austritt“ aus der Familie. Dazu gehört auch die Diskussion verschiedener Einwände, welche die Verbindlichkeit von solchen Rollenpflichten ablehnen, oder sie als nicht verbindlich genug erachten. Schließlich gehe ich der Frage nach, welche Folgen sich aus einer Rechtfertigung von Kontaktabbrüchen für die konzeptuelle Charakterisierung von Eltern-Kind-Beziehungen als unkündbar ergeben. Müssen wir, wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass Kontaktabbrüche zwar tragische, aber legitime Schritte darstellen können, nicht von der Kündbarkeit der Eltern-Kind-Beziehung sprechen? Oder können wir daran festhalten, sie als nicht vollständig aufkündbar zu betrachten?