Abstract
In diesem Beitrag sollen Iris Marion Youngs gerechtigkeitstheoretische Überlegungen zu Unterdrückungsformen und Mechanismen ihrer Stabilisierung zur Analyse der Situation der Pflege in Deutschland und der politischen Diskurse darüber fruchtbar gemacht werden. Ausgehend von Youngs These, dass das bloße Postulat formal gleichberechtigter Teilhabe unterschiedlicher Gruppen an politischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen nicht automatisch auch zu deren gleichberechtigter und wirksamer Interessensvertretung führt, werden resultierende gesellschaftliche Ungerechtigkeiten, von denen Pflegende und die Pflege betroffen sind, den „Fünf Formen der Unterdrückung“ ihrer gleichnamigen Theorie zugeordnet. Diese Unterdrückungsformen werden erläutert und auf die aktuelle Situation der Pflege hin interpretiert. Im Fazit wird der Bezug zum Thema gerechter Partizipation und damit ihre Bedeutung für die aktuellen pflegepolitischen Diskurse in sozial- und gerechtigkeitstheoretischer Perspektive betont. Die Analysen Youngs können zum Verständnis politischer Prozesse und zu deren bewussten Mitgestaltung durch Pflegende beitragen. Konsequenzen ergeben sich insbesondere für die Pflegepädagogik, da auf dieser Basis ein kritisches pflegepolitisches und professionelles Selbstverständnis gefördert werden kann.