Abstract
Nach Auffassung einiger Autoren wie Alvin Goldman und William Alston setzt normative Erkenntnistheorie einen erkenntnistheoretischen Voluntarismus voraus, der besagt, daß epistemische Verhaltensweisen wie Glauben, Urteilen, Urteilsenthaltung willentliche Handlungen sind. Normen können dann auf diese Verhaltensweisen einwirken, indem wir den Normen willentlich Folge leisten. Gegen diesen Voluntarismus spricht aber die Beobachtung, daß epistemische Verhaltensweisen in den meisten Fällen keine willentlichen Handlungen sind. Descartes' wurde von beiden genannten Autoren als ein typischer Vertreter eines normativen Ansatzes angesehen, der diesen unhaltbaren Voluntarismus voraussetzt. Ich werde dafür argumentieren, daß Decartes kein erkenntnistheoretischer Voluntarist war und seine normative Erkenntnistheorie diesen Voluntarismus auch nicht voraussetzt. Inbesondere wird gezeigt, daß Descartes in Bezug auf die für ihn zentralen epistemischen Verhaltensweisen des Urteilens und der Urteilsenthaltung kein Voluntarist war. Descartes' Vorstellungen von der Wirkungsweise erkenntnistheoretischer Normen erweisen sich als denen von Goldman ähnlich