Abstract
ZusammenfassungUnter „Selbstbindungen“ versteht man in medizinethischen Kontexten vorwegnehmende Bitten von Patienten an ihre Ärzte, eigene spätere Behandlungspräferenzen nicht zu befolgen. In diesem Beitrag werden zwei Arten von Selbstbindungen voneinander unterschieden. Wird nach einer Phase des Kompetenzverlustes, für die ein Handeln gegen den Patientenwillen vorausschauend autorisiert wird, die Kompetenz wiedererlangt, handelt es sich um eine Odysseus-Anweisung. Wird aber, wie insbesondere im Falle von Anweisungen für das Spätstadium der Demenz, die Kompetenz nach der Behandlungssituation nicht wiedererlangt, liegt eine Selbstbindung vor, die jedoch keine Odysseus-Anweisung ist. In Bezug auf die erste Art von Selbstbindungen kommt die erwartete spätere Zustimmung des Patienten als Rechtfertigungskriterium für ein Handeln gegen den Patienwillen in Betracht. In Bezug auf die zweite Art von Selbstbindungen ist hingegen zu fragen, ob der Wille des Patienten in der Behandlungssituation als Widerruf des früheren Willens der kompetenten Person gelten kann. Ist dies der Fall, ist der zum früheren Zeitpunkt geäußerte Wunsch nicht mehr als derjenige einschlägig, der festlegt, was der Patient in der Behandlungssituation will.