Universalismus und Begründung der Ethik: Ein Dilemma der lateinamerikanischen Philosophie
Abstract
Mario Rojas Hernández entwickelt eine scharfe Kritik an drei bedeutenden Positionen der lateinamerikanischen Gegenwartsphilosophie, nämlich den Befreiungsphilosophien von Enrique Dussel und Horacio Cerutti und dem Konzept einer interkulturellen Philosophie von Raúl Fornet-Bertancourt. Hernández steht zwar den Anliegen einer “lateinamerikanischen Philosophie”, d.h. einer Philosophie, die bewusst vom soziokulturellen Kontext der lateinamerikanischen Gesellschaften ausgeht und sich auf die Probleme postkolonialer Gesellschaften einlasst, grundsätzlich positiv gegenüber. Gegenstand der Kritik ist daher nicht das Projekt einer “filosofía americana” als solcher, das Mitte des 19. Jahrhundrérts von Juan Bautista Alberdi begründet und in den 1970er Jahren durch die unterschiedlichen Befreiungsphilosophien neue Aktualität gefunden hat, sondern eine gefährliche Inkonsistenz zwischen Universalismuskritik und der unausgewiesenen Inanspruchnahme universalethischer Normen – eine Inkonsistenz, die nach Hernández über den engen Bereich der Befreiungsphilosophien hinaus inzwischen weite Bereiche der lateinamerikanischen Gegenwartsphilosophie bestimmt.