Abstract
Die neoaristotelische Tugendethik ist der Versuch, die klassische ethische Theorie des Aristoteles für aktuelle Fragen der praktischen Philosophie fruchtbar zu machen. Deren Vertreterinnen und Vertreter setzen dabei auf ein Erklärungsmodell, das Tugenden als situationsübergreifende Charaktermerkmale und intellektuelle Dispositionen, deren Einübung uns Menschen als rationale Wesen von Natur aus zukommt, in sein Zentrum stellt. Im Zentrum des Ansatzes steht die Behauptung, dass es notwendigerweise zu unserer Natur bzw. zur menschlichen Spezies gehöre, ein tugendhaftes und von der praktischen Vernunft geleitetes Leben zu führen. Als eine besondere Form des ethischen Naturalismus grenzt sich die neoaristotelische Tugendethik damit nicht nur von alternativen Begründungsformen normativer Ethik wie Deontologie und Konsequentialimus ab, sondern auch von anderen in diesem Handbuch versammelten, vorzugsweise non-naturalistischen und nicht-aristotelischen Tugendethikkonzeptionen. Der vorliegende Beitrag verfolgt neben der Vermittlung von Überblickswissen das Ziel, den genauen historisch-systematischen Ort der neoaristotelischen Tugendethik zu bestimmen und dabei sowohl Grenzen als auch Perspektiven für ihre Weiterentwicklung aufzuzeigen.