Abstract
In der neueren deutschen Rechtsprechung wurden die Anforderungen an die rechtliche Zulässigkeit von Zwangsbehandlungen verschärft und der Berücksichtigung des natürlichen Willens nicht selbstbestimmungsfähiger Patienten ein höherer Stellenwert eingeräumt. So ist der behandelnde Arzt etwa verpflichtet, einen letzten Versuch zu unternehmen, eine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erhalten. In Anbetracht dessen, dass ein solches Gespräch im Kontext informellen Zwangs stattfindet, ergibt sich ein medizinethisches Dilemma: Entweder wird eine Zwangsbehandlung durchgeführt und somit direkter körperlicher Zwang angewendet, oder eine Zustimmung wird erzielt, jedoch gegebenenfalls um den Preis, dass informeller Zwang – z. B. in Form einer Drohung, Täuschung oder Manipulation – ausgeübt wird. Es wird dafür argumentiert, dass die Antwort auf dieses Problem im philosophischen Begriff der Anerkennung zu finden ist, der im vorliegenden Kontext als eine spezifische Haltung aufgefasst wird und sich in einem respektvollen Umgang des Klinikpersonals mit den betroffenen Patienten zeigt. Die Ausübung von (informellem) Zwang ist in solchen Fällen kaum zu vermeiden. Dennoch kann man in dieser Situation besser oder schlechter mit dem Patienten umgehen – und besser heißt hier, dem Patienten Anerkennung entgegenbringen.