Abstract
Verwaltungsdesaster mit Schaden für Leib und Leben beruhen im Regelfall auf Handlungskonstellationen, die Fehler nahelegten, aber nicht unausweichlich machten. Solche Konstellationen zu erkennen, ihr Risikopotenzial unter Kontrolle zu halten und, wenn nötig, zu neutralisieren, ist der Inbegriff von Verwaltungsethik. Damit sind Anforderungen verbunden, die grundsätzlich leicht zu erfüllen sind. Werden folgenreiche Fehlentscheidungen dennoch getroffen, liegen dem regelmäßig Gegenanreize zugrunde, die, was objektiv falsch ist, subjektiv richtig und angemessen erscheinen lassen. Eine Variante ist die Politisierung von Fachrationalität. Sie ist nicht illegitim, weil Behörden berechtigten Erwartungen der Öffentlichkeit gerecht werden müssen. Kritisch wird es, wenn plausibles politisches Kalkül den Schutz von Leib und Leben relativiert. Die Abhandlung schildert und analysiert solche Grenzüberschreitungen am Beispiel der Loveparade-Katastrophe in Duisburg 2010 und des Scheiterns der kriminalpolizeilichen Ermittlungen im Zuge der sogenannten NSU Morde in den Jahren 2000–2007. Im administrativen Alltag, so das Argument, erfordert Verwaltungsethik intakte persönliche und institutionelle Integrität. Die Ausbildungspraxis kann und sollte dem Rechnung tragen.