Abstract
Vielen Menschen ist es wichtig, über einen Notausgang aus dem Leben zu verfügen, sollten sie dieses einmal als unerträglich erleben. Eine bedingungslose moralische Verpflichtung zur Erhaltung des eigenen Lebens wird heute nur noch von wenigen akzeptiert. Nietzsche, auf den der Terminus „Freitod“ zurückgeht, hat allerdings den Suizid nicht nur – wie viele Schwerkranke, die wissen, dass ihnen dieser Ausweg offensteht – als psychologische Stütze der Leidenstoleranz rehabilitiert, sondern auch unzulässig normativiert. Das Bestehen auf der „Freiheit zum Tode“ als integralem Teil der Freiheit der Lebensgestaltung rechtfertigt keine Abwertung des Lebenswillens derer, die trotz stark reduzierter Lebensqualität am Leben hängen. Unter den Bedingungen der modernen Mittel zur Lebenserhaltung selbst bei schwerstem Leiden bekommt das von der Aufklärung erkämpfte, allerdings durch Pflichten gegenüber Nahestehenden eingeschränkte Recht auf Suizid eine neue Brisanz. Es verdient, auch vom Rechtssystem als Recht anerkannt zu werden.