Abstract
„Literature is Freedom“, so endet Susan Sontags Dankrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2003. Worin gründet die Wirkmacht der Poesie, Freiräume des Denkens zu eröffnen, Lesern Grenzüberschreitungen der eigenen Zeit, der eigenen Identität, der eigenen Kultur zu ermöglichen und damit das Bewusstsein für gänzlich andere Vermessungen der Welt? Wie können Literaturwissenschaftler die Freiheit der Kunst und damit die Komplexität ästhetischer Erfahrungen verteidigen, angesichts der Reduzierung von Freiheitsgraden in den aktuellen Kulturkämpfen? Wie gelingt es zeitgenössischer politischer Dichtung, denen Gehör zu verschaffen, deren Unfreiheit nur die Konsequenz des rücksichtslosen Freiheitsanspruchs privilegierter Individuen und Nationen ist? Antworten darauf versucht der folgende Artikel in offener, aphoristischer Form – mit Hilfe poetologischer Überlegungen und exemplarischen Hinweisen zur Gegenwartslyrik, u.a. zu Gedichten von Don Mee Choi, Kateryna Kalytko, Mihret Kebede, Fiston Mwanza Mujila, Aleš Šteger, Carlos Soto-Román, Anja Utler, Uljana Wolf und Serhji Zhadan.