Ist das Gettier-Problem wirklich ein Problem?
Abstract
Viele Philosophen Glauben, daß die sogenannte „klassische” Definition des Wissens:
(W)Das Subjekt S weiß, daß p =Df. (i) S glaubt (ist überzeugt), daß p; (ii) S hat eine Begründung (eine epistemische Rechtferigung) für seine Überzeugung, daß p; und (iii) es ist der Fall, daß p.
durch das berühmte Gegenbeispiel Gettiers endgültig demoliert wurde: Gettier hat die folgende Situation konstruiert:
(G)(1) Das Subjekt S hat eine gute induktive Begründung für die Überzeugung, daß p.
(2) S hat die Überzeugung vom Inhalt p oder q.
(3) S hat demgemäß die Begründung für seine Überzeugung, daß p oder q; und zwar kraft der Begründung, die es für die Überzeugung, daß p, hat.
(4) Was q betrifft, so hat S gar keine epistemischen Gründe (weder für noch gegen q).
(5) p erweist sich als falsch, q ist dagegen (dank eines Zufalls) wahr.
Wir argumentieren, daß die philosophische Bedeutung des Rätsels von Gettier in der Regel stark überschätzt wird.
Das Subjekt S hat eine gute Begründung für die Überzeugung, daß p. Trotzdem ist der Inhalt seiner Überzeugung nicht einfach p, sondern stattdessen p oder q. Eine solche Über¬zeu¬gung wäre verständlich, wenn S für q noch eine unabhängige Begründung hätte. Kraft der Voraussetzung hat es jedoch keine solche Begründung. Das Gettiersche Subjekt hat in diesem Sinne gratis abgeschwächte Überzeugungen.
Wir argumentieren, daß solche Überzeugungen nicht nur aus den psychologischen, sondern auch aus gewissen im weiten Sinne logischen Gründen ausgeschloßen werden soll, und versuchen die Regeln zu formulieren, die solche gratis abgeschwächten Überzeugungen ausschließen.