Psyche 78 (9-10):904-935 (
2024)
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Abstract
Der Beitrag widmet sich der Bedeutung der Objektwahl in der Literatur. Ausgehend von antiken Bestimmungen der Funktion des Eros bei Hesiod und Platon wendet sich der Aufsatz Freuds Begriff der »Objektwahl« zu, um auf dieser Grundlage drei literarische Texte unterschiedlicher Epochen in den Blick zu nehmen. Shakespeares Komödie »A midsummer night’s dream« liest der Autor als Ausdruck einer verunsichernden Erfahrung von Kontingenz, die das Thema der Liebe zugleich in eine Spannung von Tragödie und Komödie verortet. Goethes Gedicht »Willkommen und Abschied« überführt diese Kontingenz in eine Dialektik von Vereinigung und Trennung, die von narzisstischen Bestimmungen nicht frei bleibt. Michel Houellebecqs Romane stehen dagegen für die resignative Einsicht in das geschichtliche Ende der Objektwahl in Zeiten ein, die wesentlich von ökonomischen Tauschmechanismen bestimmt sind. Inwiefern die spätkapitalistische Ökonomie der Liebe noch mit der Begrifflichkeit Freuds zu fassen ist, muss vor diesem Hintergrund offenbleiben.