Edition Va Bene (
2012)
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Abstract
Sprache und Macht befanden und befinden sich stets in unheilvoller Nachbarschaft. Doch in welcher Form begegnet uns Verbalradikalismus? Existiert dieser in Demokratien oder gelangt er erst in den Entgleisungen totalitärer Sprachpraxis zum Vorschein? An welcher Stelle beginnt Sprachgewalt in Gewalt durch Sprache umzuschlagen? Ist der Verbalradikalismus lediglich ein Phänomen der Moderne? Von den frühesten Texten des Alten Testaments und deren semantischer Aufladung führt der Weg über die Blütezeiten der griechischen Rhetorik nach Rom, in das Zentrum der antiken Macht, in dem die Sprachlenkung ihre größte Wirkung entfaltet. Danach spannt sich der Bogen über ein Jahrtausend, von der Sprache der verfolgten Christen zur Sprache der christlichen Sieger während der Kreuzzüge. Als politisch-sprachlicher Wendepunkt wird die Französische Revolution lebendig gemacht: als Anfang vom Ende absoluter Monarchien, als Verwirklichung des Gesellschaftsvertrages und als einzigartiger historischer Vorgang, der dem Wort zur Freiheit verhilft. Den negativen Höhepunkt dieser Chronologie des Verbalradikalismus bildet das 20. Jahrhundert. Die sprachliche Beherrschung der Massen im Nationalsozialismus wird als demagogische Pervertierung des Humanismus einer zusammenfassenden Analyse unterzogen. Der sprachphilosophische Epilog fällt in die Gegenwart. Und auch hier wird sichtbar, dass die verbalradikale Sprache ständige Begleiterin der politischen Macht bleibt. Angekündigte Kreuzzüge gegen den Terror sind monumentale rhetorische Selbstaufträge entlang eines Weges, auf dem Worte zu Taten eskalieren. Inmitten internationaler „Kriege der Worte“ stellt die Studie eine Mahnschrift gegen den Sprachmissbrauch dar.