Abstract
Angesichts des vielfach diagnostizierten Ausmaßes der Zerstörung des Planeten Erde wird aktuell viel über die Notwendigkeit der Neuzusammensetzung des lebendigen Sozialen nachgedacht. Als Alternative zur klassischen Anrufung der Gesellschaft und den von ihr einzuleitenden Maßnahmen gegen den drohenden Untergang wird auf neu zu erschaffende Kollektive gesetzt, die sowohl menschliche als auch nichtmenschliche Akteure umfassen. Diese neuen Kollektive sollen sich durch Bündnisse, Symbiosen, Kooperationen, Assoziationen und Verträge konstituieren. Vergleichbar werden die im Detail verschiedenen, insgesamt aber posthumanistisch ausgerichteten Vorschläge, durch ihren gemeinsamen Ausgangspunkt der verletzten Erde, für die Rettungsmaßnahmen in Gang gesetzt werden sollen: Bündnisse, die Gaia stiftet - im Angesicht der drohenden Gefahr! Im Mittelpunkt der Überlegungen von Lynn Margulis, Michel Serres, Bruno Latour und Donna Haraway, die im Folgenden diskutiert werden sollen, steht die Suche nach der Verbindung und Kooperation mit anderen als nur menschlichen Lebewesen. Die gesuchten Verbindungen, Verflechtungen und Versammlungen von menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren werden jedoch, so meine These, überwiegend im Sinne eines friedlichen Miteinanders ausbuchstabiert, während andere Formen der Verbindung dagegen, etwa durch stabile Gegnerschaft, andauernden Streit, stetige Auseinandersetzungen, vernachlässigt werden. Die während der Zusammensetzung der Kollektive notwendig werdenden Grenzziehungen und mit hoher Wahrscheinlichkeit auftretenden Konflikte um die Frage der Zugehörigkeiten werden weitgehend ausgeblendet zugunsten eines immensen Vertrauens in die Bereitschaft zur Versammlung und die Friedfertigkeit der Kollektivbildung. Mit anderen Worten: Während Kooperation, Verschmelzungen und Vermischungen überbetont werden, geraten Grenzziehungen, Konflikte und Kämpfe ins Hintertreffen.