Abstract
ZusammenfassungDieser Artikel beleuchtet die tragende Rolle, die Umweltdenken und Umgebungswissen für die Legitimation traditioneller Geschlechterrollen im 20. Jahrhundert spielten. Gezeigt wird, auf welche Weise einflussreiche psychologische und psychoanalytische Konzepte der Kindes- und Persönlichkeitsentwicklung Frauen dazu anhielten, sozio-naturale Umwelten herzustellen, ja, selbst Umwelt zu sein. Expertinnen und Experten verschiedener Denkrichtungen und Generationen propagierten ein ganz ähnliches Bild femininer „Environmentalität“, das heißt: der Disposition und Bestimmung der Frau, Umwelten zu erzeugen und zu verkörpern, die eine gesunde Kindesentwicklung ermöglichen und das Wohlbefinden und den Erfolg des Mannes, gar den Erhalt der gesellschaftlichen Ordnung begünstigen sollten. Dieses Konstrukt weiblichen Umwelt-Seins verpflichtete Frauen auf Ehe und Vollzeitmutterschaft und fixierte sie in Raum und Zeit. Sein reaktionärer Gebrauch in Auseinandersetzungen über alternative weibliche Lebensentwürfe demonstriert, dass leitende Konzeptionen von Entwicklung, Wohlergehen und Identität nicht nur androzentrisch, sondern antifeministisch waren.