Abstract
Es werde sein Testament sein, schrieb Georg Simmel am 25. März 1918, sechs Monate vor seinem Tod, über sein letztes Buch an Hermann Graf KeyserlingKeyserling, Hermann Graf. Das verbleibende halbe Jahr verwendet der an einem bösartigen Karzinom Erkrankte, teilweise unter starken Schmerzen, ganz auf die Vollendung seiner nach eigenem Bekunden „sehr schwierigen ethischen und metaphysischen Untersuchungen“. Sie erscheinen postum, im Dezember 1918, unter dem Titel Lebensanschauung.Vier metaphysische Kapitel und sind das Ergebnis eines Ringens mit der Zeit. Der Titel des Buches nimmt nicht nur den lebensphilosophischen Topos der Selbstbewusstwerdung des Lebens auf, sondern bringt darüber hinaus zum Ausdruck, wie sich in Simmels letztem Werk Allgemeines mit Persönlichem, der Sachgehalt philosophischer Theoriebildung mit der Bilanzierung einer abschließenden intellektuellen Selbstvergewisserung, Metaphysik sozusagen mit Nachtgedanken verbindet.